Hüten Sie sich vor der monotonen Maus(e)falle
von Sylvia Schneider, Chefredakteurin von "Gesundheit für Frauen"
Wer täglich am PC arbeitet, riskiert kaputte Hände und Unterarme. Dauerbeanspruchung und falsche Handhaltung rufen Schwellungen, Schmerzen und Veränderungen hervor. Einfache Handarbeiten werden zur Qual. Auch diese typische Frauenkrankheit wird von Ärzten nicht ernst genug genommen.
"Mausarm" wird das Symptomenbild überlasteter Computerhände und -arme verniedlichend genannt. Doch Mausarme führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des täglichen Lebens und am Ende nicht selten sogar zur Berufsunfähigkeit. Die aus der eintönigen "Tipperei" an Tastatur und Maus resultierenden Beschwerden werden neuerdings unter dem Begriff RSI zusammengefasst - das steht für "Repetitive Strain Injury", Verletzung durch wiederholte Belastung. In den USA geht bereits jeder zweite Fall berufsbedingter Arbeitsunfähigkeit auf RSI zurück, berichtet die Fachzeitschrift "Psychologie heute" (8/03).
RSI setzt sich aus mehreren Symptomen zusammen, die einzeln, aber auch im Huckepack auftreten können. Sie machen sich oft nicht direkt am Ort des Geschehens bemerkbar, sondern in den Muskeln, Sehnen und Gelenken, die für die Bewegung der Finger zuständig sind. Die Diagnose RSI wird bei uns selten gestellt, meist werden nur einzelne Symptome behandelt. Manch ein Arzt sucht nach psychosomatischen Ursachen und diagnostiziert eine "Arbeitsneurose", moniert "Psychologie heute".
Anspannung steigert den Druck und umgekehrt
So erklärt man sich das Zustandekommen der Beschwerden: Beim konzentrierten Arbeiten am PC kommt es meist zu Muskelverspannungen, die zu einem erhöhten Widerstand führen. Das kann zu winzigen Verletzungen im Gewebe führen. Die Freizeit reicht zum Ausheilen und Regenerieren nicht aus. Zeitdruck, Überstunden, geringe Aufstiegschancen, fehlende Unterstützung oder Anerkennung am Arbeitsplatz, Ehrgeiz, Leistungsdruck sowie monotone Bewegung mit Maus und Tastatur fördern diese Entwicklung ebenso wie die Doppelt- und Dreifachbelastung von Frauen. Wächst einem die Arbeit über den Kopf, muss man sich schließlich noch mehr anstrengen, um sich wirklich konzentrieren zu können. Das wiederum steigert die Verspannung. Unter dem Druck werden die Symptome zunächst nicht wahrgenommen.
Begünstigt wird RSI durch
* oftmals pausenlose, mehrere Stunden täglich andauernde Arbeit,
* ungünstige Sitzhaltung und Bewegungsmuster,
* mangelhafte Ausstattung des Arbeitsplatzes,
* bei bereits vorhandenen Symptomen Verschlimmerung der Schmerzen durch Schonbewegungen.
Woran erkennen Sie ein RSI-Syndrom?
Die Erkrankung verläuft normalerweise in drei Stufen:
1. Zunächst treten die Beschwerden und Missempfindungen erst am Feierabend auf. Je nach Ihrer Arbeit kann es an den drei großen Fingern der rechten Hand sein (etwa bei Datentypistinnen), am Ring- oder Zeigefinger der linken Hand oder dem rechten Daumen (Texteingabe, Zehnfingersystem) oder die bevorzugten Finger beim Zwei- bzw. Dreifingersystem von Programmiererinnen. Allerdings treten die Beschwerden nicht direkt hier auf, sondern dort, wo die Bewegungen gesteuert werden - also irgendwo auf der Bewegungsstrecke zum Ellbogen.
2. Dann wird der Schmerz auch bei der Arbeit wahrgenommen, jedoch mit einer zeitlichen Verzögerung, da die Konzentration auf die Arbeit die Schmerzen �bert�ncht. Die RSI-Beschwerden beginnen mit Missempfindungen wie tausend Nadelstiche, Einschlafgefühle, Gefühllosigkeit und Kraftverlust. Später kommen Schmerzen hinzu. Auch treten Temperaturveränderungen und Schwellungen auf. Es kann sich ein Überbein ausbilden.
3. Im dritten Stadium überschatten die Schmerzen auch allt�gliche Handlungen wie das Anziehen, Musizieren, Handarbeit, Sport oder das Essen mit Messer und Gabel. Arbeiten am Computer wird unmöglich. Interessanterweise treten die Beschwerden dann oft an verschiedenen Stellen des gesamten Hand-Arm-Bereiches auf. Das Leiden ist jetzt kaum noch heilbar. Auch längere Ruhigstellung oder Urlaub bewirkt dann keine anhaltende Besserung mehr.
Treten die Beschwerden auch an anderen unbelasteten Extremitäten wie Füße oder Knie auf, liegt kein RSI, sondern eine andere Erkrankung vor - möglicherweise eine chronische Polyarthritis oder eine andere rheumatische Erscheinung, beispielsweise eine Fibromyalgie oder ein Zervikalsyndrom (Veränderungen in der Halswirbelsäule, die zu Nervenreizungen führen können).
Ärzte fragen nicht nach der Arbeitsbelastung
Viele Frauen, die unter RSI-Symptomen leiden, haben eine lange Arzt-Odyssee hinter sich, oft ohne dass Ihnen wirklich geholfen wird. Sie waren beim Allgemeinmediziner, Orthopäden, Neurologen, Radiologen, Internisten, Chirurgen oder Psychiater. Die meisten Ärzte fragen nicht nach der beruflichen Belastung, so die Erfahrung von Fachleuten. Deshalb sollten Sie das zur Sprache bringen, damit die richtigen Maßnahmen ergriffen werden können. Akute Beschwerden brauchen meist eine medikamentöse Dämpfung, und die winzigen Verletzungen müssen in Ruhe abheilen können. Soll das Erfolg haben, müssen Sie jedoch auch bereit sein, aktiv an Ihrem Nerven- und Bewegungssystem zu arbeiten, um eingeschliffene Fehlhaltungen wieder zu verändern.
Da sich gegen viele RSI-Leiden nicht mehr viel ausrichten lässt, wenn sie erst einmal chronisch sind, kommt der Vorbeugung eine besondere Bedeutung zu. Dazu gehören die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes und regelmäßige Unterbrechungen der monotonen Tätigkeiten mit anderen Beschäftigungen. Wichtig ist, dass das
Symptomenbild auch von den Arbeitgebern als ernst zu nehmend anerkannt wird.
Das können Sie zur Vorbeugung tun:
* Richten Sie Ihren Arbeitsplatz optimal ein. Hinweise zur ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes und die Pflichten Ihres Arbeitgebers finden Sie unter www.ergo.online.de.
* Steht Ihr Monitor richtig?
* Sind Ihre Schultern entspannt, Ihre Handgelenke gerade (nicht abgeknickt) beim Schreiben?
* Wie halten Sie Ihre Finger?
* Wechseln Sie häufiger von Maus auf Tastatur und umgekehrt.
* Nehmen Sie die Signale Ihres Körpers ernst.
* Machen Sie regelmäßige kurze Pausen. Schütteln Sie Ihre Handgelenke dabei aus.
* Lernen Sie sich gezielt auch bei der Arbeit zu entspannen.
* Recken und strecken Sie sich oft.
* Treiben Sie Sport.
* Halten Sie Hände und Arme warm.
Sekretärinnenkrankheit - Karpaltunnelsyndrom